MANANA ANUA – FIFTY TWO DAYS OF CAPTIVITY
LEBANIDZE SHORENA
The documentary novel is based on the narrative of one of the main characters, telling about the tragedy that befell a mixed Georgian-Abkhaz family. Through presenting the reality in a highly artistic way, delving into the psychology of the characters and development of bloodcurdling story lines enable the author to turn her readers into the witnesses of the actual events that unfolded during the Georgian-Abkhaz conflict of the 1990s. However, the military and political processes serve as the backdrop for the plot. The author concentrates on a little church of Komani, nestling in a mountainous village in Abkhazia. The events take a dramatic turn for the locals, who are forced to stay confined to the church while the hostilities rage outside. The people challenge their fate, facingyet another misfortune with the best humane qualities and the common sense drawn from their life experience. For certain reasons, the true identities of several characters were changed to fictitious names.
EXTRACT
Translated into German by Nana Tchigladze und Lydia Nagel
Am Grabe von Pater Andrija1 las ich den Psalter.
Es war ein heiterer Tag. Obwohl irgendwo etwas glühte und es verbrannt roch, strahlte der Himmel azurblau über den schwarz rauchenden, verödeten Resten des ehema-ligen Dorfes. Die Bomber dröhnten nicht und kein von einer Explosion aufgewirbelter Staubnebel drückte auf die vom Sonnenlicht glühende Gegend. Ich genoss die Augenblicke geschenkter Ruhe, dämpfte die mir in Fleisch und Blut übergegangene Erregung und sah über mir den goldenen Schatten der in Lichterglanz gehüllten Kathedrale. Es war schwül. Als hätte die von der Hitze matte Gegend aufgehört zu atmen. Die Luft bewegte sich kaum. Kein einziges Blatt zitterte. Bei der Kathedrale herrschte eine selt-same Stille. In dieser Friedlichkeit, am heißesten Julinachmittag des Jahres, spürte ich mit einem Mal eine Rastlosigkeit und Unruhe. Zunächst konnte ich keinen Grund dafür ausma-chen: Ich spitzte die Ohren und vernahm ein langsam näher kommendes Geräusch, ein Zei-chen für das Zerfließen der Ereignisse, vielleicht auch Schritte oder den schwachen, sto-ckenden Herzschlag der Natur oder gar das Wehen des Windes, das Summen der Insekten im Gras. Als kämen die zunächst harmlosen, nun aber durchdringenden Geräusche von den sehnigen Flügeln der lästigen Heuschrecken, die ich, ganz Ohr, wie ein Donnergrollen emp-fand. Hatte ich mich vielleicht umsonst geängstigt und war die eigentliche Ursache meiner übersteigerten Wahrnehmung und dieser Überempfindlichkeit der Überlebensinstinkt – die Angst, die so große Augen hatte? Nein, natürlich nicht. Das Brausen und Tosen, das den gerade eingetretenen Frieden störte, näherte sich nicht aus der Tiefe der Erde oder aus einem Winkel des Hofes, es zog von der anderen Seite der Mauer heran, wurde immer größer und stärker und ergoss sich in russisch-abchasischen Satzfetzen, Jubelrufen und Flüchen... (See PDF)
In case of using the information, please, indicate the source.
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Translated into German by Nana Tchigladze und Lydia Nagel
Am Grabe von Pater Andrija1 las ich den Psalter.
Es war ein heiterer Tag. Obwohl irgendwo etwas glühte und es verbrannt roch, strahlte der Himmel azurblau über den schwarz rauchenden, verödeten Resten des ehema-ligen Dorfes. Die Bomber dröhnten nicht und kein von einer Explosion aufgewirbelter Staubnebel drückte auf die vom Sonnenlicht glühende Gegend. Ich genoss die Augenblicke geschenkter Ruhe, dämpfte die mir in Fleisch und Blut übergegangene Erregung und sah über mir den goldenen Schatten der in Lichterglanz gehüllten Kathedrale. Es war schwül. Als hätte die von der Hitze matte Gegend aufgehört zu atmen. Die Luft bewegte sich kaum. Kein einziges Blatt zitterte. Bei der Kathedrale herrschte eine selt-same Stille. In dieser Friedlichkeit, am heißesten Julinachmittag des Jahres, spürte ich mit einem Mal eine Rastlosigkeit und Unruhe. Zunächst konnte ich keinen Grund dafür ausma-chen: Ich spitzte die Ohren und vernahm ein langsam näher kommendes Geräusch, ein Zei-chen für das Zerfließen der Ereignisse, vielleicht auch Schritte oder den schwachen, sto-ckenden Herzschlag der Natur oder gar das Wehen des Windes, das Summen der Insekten im Gras. Als kämen die zunächst harmlosen, nun aber durchdringenden Geräusche von den sehnigen Flügeln der lästigen Heuschrecken, die ich, ganz Ohr, wie ein Donnergrollen emp-fand. Hatte ich mich vielleicht umsonst geängstigt und war die eigentliche Ursache meiner übersteigerten Wahrnehmung und dieser Überempfindlichkeit der Überlebensinstinkt – die Angst, die so große Augen hatte? Nein, natürlich nicht. Das Brausen und Tosen, das den gerade eingetretenen Frieden störte, näherte sich nicht aus der Tiefe der Erde oder aus einem Winkel des Hofes, es zog von der anderen Seite der Mauer heran, wurde immer größer und stärker und ergoss sich in russisch-abchasischen Satzfetzen, Jubelrufen und Flüchen... (See PDF)
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