აღმოსავლეთის გამოგონება
Short Story Collection
Diogene Publishing 2013
13.5X19.5
138 pages
ISBN: 9789941114281

THE INVENTION OF THE EAST

TAVELIDZE IRMA

Irma Tavelidze is a masterful storyteller with a unique literary voice. The stories in The Invention of the East consist mainly of seductively slow tales that the first-person narrator recalls from the past. Often the stories involve an amour fou – lives full of burning, insatiable longing. Tavelidze focuses on a particular type of person, varying the character with great literary skill: he or she is a self-centered intellectual, approaching collapse, with a strong libido, prone to transgressions and excesses, with an active imagination that replaces or absorbs the character’s perception of life. Although the stories tell of particular individuals, they are pervaded by the atmosphere of the country and the period. One of the short stories from the collection Gori Fortress was included in the Anthology of Georgian Short Stories of 21st century Goris Fästning published by Swedish edition house Tranan. The Anthology is named after Irma Tavelidzes story. The narrator of the story is a 10-year-old boy who tries to find his own way to poetry and at the same time to make sense of his vague desires and annoying duties. Gori – a city in Eastern Georgia – with its well-known fortress serves as the background for the narrator’s reflections. The Invention of the East was shortlisted for the Literary Award SABA in 2014 in the category The Best Collection of Stories of the Year.


‘Irma Tavelidze’s texts never have anything open-handed about them; They remind you of a clenched fist from which the fingers have to be slowly freed, one by one.’

 E. Kevanishvili, poet, literary critic, Akhali Saunje

EXTRACT
Translated into German by Nino Idoidze & Julia Dengg   


DIE BURG VON GORI

 

Ich stand da und dachte darüber nach, dass der Wind das, was er nimmt, auch wieder bringt . Der Schnee auf der Brille schmolz, er kroch in die Ohrmuscheln, durchnässte den handgestrickten Schal und den knopflosen Mantel. Ich rührte mich nicht. Zehn Jahre war ich und wusste: Die Schwere der Pflicht konnte nicht nur einen Jungen meines Alters, sondern auch einen vierzigjährigen Mann erdrücken. Möglichst bald musste ich die lästige Bürde der unerfüllten Pflicht loswerden, schnell musste ich in die Traumburg der anderen eindringen ... Der Wind ja, der Wind konnte mir gewiss die Gunst des Einzigen zurückbringen.

***

Der Pionierpalast von Gori war der einzige Palast, der täglich in mein Blickfeld trat. In seinen breiten Fenstern hingen hellrosa Vorhänge – ich weiß, eine unangenehme Farbe (und wer weiß, vielleicht gibt es wirklich eine solche Rose, deren Blütenblätter man nie gerne reiben wird?). Drinnen nichts Außergewöhnliches: eine Ausstellung von Schülerarbeiten, eine rote Ecke mit einer Trommel, einer großen und kleinen Trompete, einer goldfransigen Fahne und Fotos eines goldschopfigen Jungen . In den Wintermonaten lag in fast jedem Raum eine Totenstille, ein Grabesfrost. Und doch, zwischen den Wänden waren unmerkliche Bewegungen zu merken, denn an den Samstagen nahm der Vortragszirkel seine traditionelle Arbeit auf. Der Vortragszirkel war ich.
Der Schauspieler Otar *** hatte bis zu zwanzig Schüler. Das, sowie die anderen Kleinigkeiten von örtlicher Wichtigkeit, wusste ich vom Hörensagen: Keinen der anderen Vortragskünstler hatte ich je mit eigenen Augen gesehen. Der Legende zufolge gab es sie wirklich, sie nahmen an Theatervorstellungen teil und gingen mit der Schauspieltruppe von Gori auf Tournee in noch weit kältere, noch weit verschneitere Städte. Für Jahresende prophezeite man auch mir einen Auftritt auf der großen Bühne: Ein einziges Gedicht musste ich dafür gut lernen.
Damals wie heute ist in den Augen eines zehnjährigen Jungen ein Mann um die vierzig ein lebensüberdrüssiger Jemand, der lustlos die restlichen Tage bis zum Tod zählt, wenngleich er auch noch kein völlig kraftloser Greis ist – und gerade deshalb ist die Aggressivität, die sich in seine Stimme eingeschlichen hat, der unter den Brauen versteckte Zorn gefährlich...(See PDF)


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